Zur Situation der theologischen Fakultäten in Deutschland

Als Einrichtungen von Universitäten und Hochschulen sind auch die theologischen Fakultäten von dem Umbruch bestimmt, der derzeit die deutsche Hochschullandschaft prägt. Studiengebühren, aber auch Begriffe wie Hochschul-Ranking, Exzellenzprogramme, Master- und Bachelor-Studiengänge verunsichern Studierende wie Lehrende. Dabei bezweifelt kaum jemand, daß schon angesichts der Zahl der Studierenden eine Reform des Hochschulwesens unabdingbar ist und daß die Universitäten sie aus eigener Kraft wohl nicht zu leisten vermögen. Die Hochschulen gleichen einer Großbaustelle; die Blaupause aber, nach der gebaut werden soll, ist oft kaum erkennbar oder soll im Streit der Parteien erst entstehen. Die theologischen Fakultäten haben an dieser allgemeinen Verunsicherung ihren Anteil.

Es sind mehrere, sich überlagernde Herausforderungen, die unsere Universitätslandschaft in die wohl schwerwiegendste Umbruchsituation seit den Gebrüdern Humboldt geführt haben. An erster Stelle steht der "Bologna-Prozeß“. Eine zweite Herausforderung bildet das Ranking-System, das die Universitäten in einen Wettbewerb um öffentliches Ansehen und finanzielle Ausstattung zwingt. Dazu kommen Sparmaßnahmen, denen die meisten Fächer unterliegen. Darüber hinaus gibt es besondere Problemstellungen, die speziell das Theologiestudium betreffen: die wissenschaftstheoretische Infragestellung einer "Glaubenswissenschaft“ sowie die Zahl der Studierenden, die immer wieder Anlaß gibt zu der Forderung, die Zahl der theologischen Fakultäten zu reduzieren.

Hoffnungen und Enttäuschungen nach zehn Jahren "Bologna-Prozeß“

Die derzeit massivste Herausforderung stellt die als Bologna-Prozeß bekannt gewordene Studienreform dar. Im April 1997 erarbeitete der Europarat zusammen mit der UNESCO das Lissabon-Abkommen, das die prinzipielle Anerkennung aller Studienabschlüsse in den Unterzeichnerstaaten festlegte. Im Mai 1998 formulierten anläßlich der 800-Jahr-Feier der Universität von Paris die Wissenschaftsminister von Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland die "Gemeinsame Erklärung zur Harmonisierung der Architektur der europäischen Hochschulbildung“, die "Sorbonne-Erklärung“. Darin heißt es:

"Man sollte nicht vergessen, daß Europa nicht nur das Europa des Euro, der Banken und der Wirtschaft ist; es muß auch ein Europa des Wissens sein. Wir müssen auf die intellektuellen, kulturellen, sozialen und technischen Dimensionen unseres Kontinents bauen und sie stärken. Sie sind in großem Maße von ihren Universitäten geprägt worden, die weiterhin eine ganz entscheidende Rolle in deren Entwicklung spielen.“(1)

Die Minister regten an, parallel zum Euro-Raum einen "europäischen Hochschulraum“ (European Higher Education Area: EHEA) zu schaffen, in dem Qualität, Mobilität und Transparenz sichergestellt sein sollten. Dieses Ziel wurde vor nunmehr zehn Jahren im Juni 1999 in der Bologna-Erklärung der Bildungsminister von 29 europäischen Staaten in Angriff genommen. Inzwischen haben sich insgesamt 46 europäische Staaten angeschlossen, die bis zum Jahr 2010 diesen Hochschulraum verwirklichen wollen. In regelmäßigen Folgekonferenzen - Prag (2001), Berlin (2003), Bergen (2005), London (2007) und Löwen (2009) - erfolgt seither die Umsetzung und wird die Zielsetzung fortgeschrieben.

Der Bologna-Prozeß verfolgt drei eng miteinander verwobene Hauptziele: internationale Wettbewerbsfähigkeit durch Vergleichbarkeit und Transparenz der Studienabschlüsse, Mobilität der Studierenden und Lehrenden und Sicherung der Qualität und der Berufsorientiertheit des Studiums:

1. Bachelor- und Masterstudium und das System der Credits. Eine europaweite Vergleichbarkeit der Studien und Transparenz der Zeugnisse sollte erreicht werden durch die Einführung von zwei Studienzyklen: dem "undergraduate“- und dem "graduate“-Studium, zumeist als Bachelor- und Masterstudium bezeichnet. Schon diese Terminologie zeigt, daß das amerikanische System Pate gestanden hat. Fast alle Bezeichnungen und die verwirrenden Abkürzungen sind englisch formuliert. Das Bachelorstudium soll sechs, kann aber auch acht Semester umfassen, der darauf aufbauende Masterstudiengang in der Regel vier Semester, beide zusammen zehn Semester. Ein dritter Zyklus soll zum Doktorgrad bzw. PhD führen, er soll drei bis vier Jahre umfassen und der eigenständigen Forschung dienen. Als einer der entscheidenden Punkte wurde festgelegt, daß der Bachelor den Regelabschluß bilden und nur ein eher geringer Teil - man sprach von 20 Prozent der Studierenden - zum zweiten Studienzyklus zugelassen werden soll. Der Master soll dabei dem bisherigen Diplom entsprechen, einen dem Bachelor vergleichbaren Abschluß kannte die deutsche Universität bislang nicht. Dessen Einführung soll wohl auch die mit wenig Erfolg angestrebte Verkürzung der Studienzeiten realisieren helfen und damit die Universitäten von einer Überzahl an Studierenden entlasten.

Studienleistungen werden nach einem einheitlichen Bewertungssystem mit "Credit- Points“ versehen. Diese werden nach einem European Credit Transfer System (ECTS) entsprechend dem jeweiligen Arbeitsaufwand ("workload“) vergeben. Für den ersten Zyklus sind 180 bis 240 Credits, für den Master 90 bis 120 Credits gefordert. Für das Promotionsstudium ist nicht an die Berechnung von Credits gedacht. Diese Credits sind an allen Hochschulen anerkannt. Sie werden teils durch Teilnahme an Lehrveranstaltungen, teils durch Prüfungen der einzelnen Module erworben. Außerdem ist vorgesehen, daß auch der Erwerb von allgemeinen Fähigkeiten ("softskills“) - etwa Sprachkenntnisse, Rhetorik, Personalführung - oder Aktivitäten in der Selbstverwaltung der Universität (etwa als Studentensprecher) in gewissem Umfang mit Credit-Points versehen werden können. Die konkreten Regelungen sind hier den Ländern bzw. Universitäten überlassen. Dem Abschlußzeugnis ist ein "Diploma supplement“ beizugeben, das Auskunft gibt über den Studienverlauf und die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten. Es soll der Transparenz und damit der Chancengleichheit auf dem internationalen Stellenmarkt dienen.

2. Modularisierung. Damit die Studienleistungen europaweit anerkannt und Studienorte problemlos gewechselt werden können, soll das Studium modularisiert werden. Dies stellt den zweiten Hauptpunkt des Bologna-Prozesses dar. Es sind Module, d.h. Lehreinheiten zu bilden, die in der Zusammenarbeit von unterschiedlichen Disziplinen jeweils ein inhaltlich Ganzes ergeben. Jedes Modul muß an einer Hochschule in überschaubarem Zeitraum, in der Regel innerhalb von zwei Semestern, studiert und mit einer Prüfung abgeschlossen werden können. Damit wird eine bestimmte Zahl von Leistungspunkten nach dem ECTS erworben. Aus den studienbegleitenden Modulprüfungen errechnet sich die Gesamtnote, Abschlußprüfungen, die gegebenenfalls abgehalten werden können, dürfen jedenfalls nicht das Fach in seiner ganzen Breite abdecken. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit sollen die Module jeweils einen Überblick aus unterschiedlichen Aspekten bieten und der Ausbildung von "Fachidioten“ wehren, die ihre engen Spezialisierungen nicht mehr zu überschreiten vermögen. Folglich ist ausgeschlossen, die einzelnen Disziplinen einfachhin in Module umzubenennen. Diese müssen vielmehr jeweils mehrere Disziplinen umfassen und können nur in Kooperation mehrerer Dozenten angeboten und studiert werden.

3. Die Qualitätssicherung. Internationale Vergleichbarkeit und Anrechenbarkeit setzen voraus, daß Qualitätsstandards eingehalten werden. Dem dienen Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Zunächst ist festgelegt, daß alle Studiengänge akkreditiert werden müssen. In Deutschland gibt es derzeit neun private Akkreditierungsagenturen, die auf Antrag - und gegen nicht unerhebliche Gebühren - Studiengänge einzelner Fakultäten oder auch ganzer Universitäten prüfen und sie den zuständigen Ministerien zur Billigung vorschlagen. Ein Akkreditierungsrat überwacht und akkreditiert diese Agenturen auf deutscher Ebene. Wissenschaftliche, aber auch gesellschaftspolitisch angestrebte Ziele (z.B. eine Frauenquote) sind Gegenstand dieses Prüfungsverfahrens. Nicht zuletzt soll sichergestellt werden, daß ein Studium berufsbezogen ist, daß es "employability“ verleiht: Dieser Begriff wurde im Deutschen mit "berufsqualifizierend“ wiedergegeben. Die Tatsache, daß es entsprechende Berufe weithin nicht gibt, ist einer der gewichtigsten Kritikpunkte an den gesamten Prozeß. Hier setzt sich inzwischen eine offenere Interpretation durch, die employ - ability als "arbeitsmarktqualifizierend“ versteht. So verstanden ist der Bachelor ein "Halbfertigprodukt“, auf dem eine praktische Einführung in eine konkrete berufliche Tätigkeit aufbauen muß. Jedenfalls schließt diese Vorgabe aus, lediglich das bisherige Vordiplom in Bachelor umzubenennen. Ein Studiengang, der keine Qualifizierung für den Arbeitsmarkt erbringt, könnte nicht akkreditiert werden.

4. Umsetzung und Kritik. Es ist offensichtlich, daß einige kosmetische An passungen der bisherigen Diplom-Studiengänge oder bloße Umbenennungen den Vorgaben des Bologna-Prozesses nicht genügen. Dieser stellt zweifellos eine tiefgreifende Umstrukturierung der deutschen Hochschullandschaft dar. Die Fakultäten, die bisher von Durchschnitts-Studienzeiten von zehn bis zwölf Semestern ausgingen, müssen einen in sich stehenden Abschluß nach sechs, eventuell auch nach acht Semestern anbieten, alles darüber hinaus ist Aufbaustudium. Strukturiert ist das Studium nicht mehr von Fächern, sondern von fachübergreifenden Modulen her. Und die Qualifizierung wird nicht mehr durch eine Abschlußprüfung, sondern durch Modulprüfungen jeweils am Ende eines solchen Moduls erworben.

In der praktischen Umsetzung haben sich nun aber erhebliche Probleme ergeben. Zunächst einmal ist festzustellen, daß die Realisierung des Bologna-Prozesses in sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit verläuft. Während etwa in den Benelux- Staaten, in Nordeuropa und Osteuropa die Bachelor- und Master-Studiengänge weithin schon selbstverständlich sind, geht deren Einführung anderswo eher schleppend voran. In Deutschland wird das Tempo wegen der Kulturhoheit der Länder von den jeweiligen Landesregierungen bestimmt. So ist man zum Beispiel in Bayern mit großer Zurückhaltung und Skepsis an die Umsetzung herangegangen, dagegen hat Nordrhein-Westfalen die Vorreiterrolle übernommen und die Modularisierung durch massiven politischen und finanziellen Druck urgiert. Neue Studienordnungen und Studienverlaufspläne mußten teilweise unter erheblichem Zeitdruck erstellt und zur Akkreditierung vorgelegt werden.

In der Aufstellung der Module haben sich die Fakultäten zumeist an ihren Diplomordnungen orientiert und versucht, so viel Stoff wie möglich im Bachelor-Studium unterzubringen - "getreu dem Motto, daß niemand von sich behaupten könne, dieses oder jenes Fach studiert zu haben, der dieses oder jenes Faktum nicht wisse“(2). Die Folge ist, daß die Bachelor-Studiengänge, so wie sie eingeführt wurden, nicht selten deutlich überladen sind, daß den Studierenden manchmal ein nur wenig verschlanktes Diplom-Studium, für das zehn oder in der Praxis zumeist zwölf Semester zur Verfügung standen, nun in sechs Semestern abverlangt werden soll. Zusätzlich besteht für die Erteilung der Credit-Points verschiedentlich Anwesenheitspflicht. Der Leistungsdruck auf die Studierenden hat damit erheblich zugenommen.

Besonders an den Hochschulen, an denen die Einführung der neuen Studiengänge unter hohem Zeitdruck erzwungen wurde, konzipierte man verschiedentlich Hals über Kopf Module, die sich mit denen anderer Hochschulen als kaum noch kompatibel erwiesen. Aus der zweifellos löblichen Absicht, das Studium in ganz Europa durchlässig und Studienleistungen international anerkennbar zu machen, wurde es faktisch erheblich erschwert, den Studienort zu wechseln und die erbrachten Leistungen an einer anderen Hochschule anerkannt zu bekommen oder gar Auslandssemester einzuplanen. Ohne eine Verlängerung der Studienzeit ist ein Wechsel der Universität kaum noch realisierbar. Zudem werden oft sehr unterschiedliche Maßstäbe in der Vergabe der Credit-Points angewandt. Und vor allem: Wenn nur eine Minderheit der Studierenden zum Master-Studium zugelassen werden soll, können dann all die anderen einen Abschluß erwerben, der akademischen Standards gerecht wird und Aussicht auf einen angemessenen Beruf eröffnet? Werden die Bachelors Akademiker zweiter Klasse sein, gegebenenfalls mit schlechten Berufsaussichten? Eigentlich kann nur verwundern, daß die Studierenden gegen diese Reform nicht wesentlich heftiger protestieren.

Auch bei den Professoren dominiert die Kritik. Es erscheint vielen als kaum noch möglich, in das Lehrprogramm wenigstens die grundlegenden Fachinhalte einzubringen, ohne die ein akademisch verantwortbares Studium nicht sinnvoll absolviert werden kann. Durch die Modularisierung hat sich der Lehrbedarf deutlich erhöht. Was bisher etwa in einem viersemestrigen Zyklus gelesen wurde, muß nun alle Jahre angeboten werden, um den Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihre Module in der vorgeschriebenen Zeit abzuschließen und die Credit-Points zu erhalten. Zudem müssen, jedenfalls für eine Übergangszeit, auch die traditionellen Studiengänge weitergeführt werden, denn die Studierenden, die in diesen eingeschrieben sind, haben das Recht, ihr Studium nach diesen Vorgaben abzuschließen. Sicher kann manche Lehrveranstaltung für mehrere Studiengänge gemeinsam angeboten werden. Aber faktisch ist der Lehrbedarf erheblich angestiegen. Verschiedentlich scheitert die Umsetzung schon daran, daß die Räume nicht zur Verfügung stehen, in denen die differenzierten Veranstaltungen abgehalten werden sollten. Dazu werden die Module jeweils mit Prüfungen abgeschlossen, so daß die Prüfungsbelastung gerade in den Massenfächern oft erheblich gestiegen ist. Die Kraft und Energie, die durch die Umsetzung dieser neuen Studienordnungen gebunden wird, ist beträchtlich. Viele Professoren fühlen sich schlechthin ausgenutzt und mit Aufgaben überladen, zu deren Erfüllung sie nicht angetreten sind. In den meisten Fällen hat die Politik wenig mehr anzubieten als eine Erhöhung des Lehrdeputats, man müsse eben effektiver arbeiten. Die Finanzierung, die ein so tiefgreifender Reformprozeß nun einmal verlangt, blieb weithin aus. Offensichtlich ist in Politik und Öffentlichkeit die Stimmung weit verbreitet, man müsse den faulen und unbeweglichen Professoren endlich einmal Beine machen!

Ein weiteres Problem, das viele Professoren erheblich belastet: Die Vergleichbarkeit der Studiengänge und Module ist nicht erreichbar ohne ein verhältnismäßig hohes Maß an inhaltlichen Vorgaben für den Stoff, der gerade im Bachelor-Studium angeboten werden muß. Daß sich diese Vorgaben einem Lehrplan annähern und eine gewisse Verschulung des Studiums mit sich bringen, ist nicht zu bezweifeln. Der Mainzer katholische Neutestamentler Marius Reiser hat die Universitätslandschaft aufgeschreckt, als er unter Protest gegen die Einschränkung der akademischen Freiheit in Lehre und Forschung zum 1. April 2009 seine Professur niederlegte(3). Julian Nida-Rümelin, der frühere Staatsminister für Kultur und Medien und derzeitige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie, erklärte schlichtweg den "Bologna-Prozeß heute - zumindest in Deutschland - als gescheitert“(4).

Kritik kommt auch von außerhalb der Universität aus dem Bereich der Wirtschaft. Die Berufe, für die das Bachelor-Studium qualifizieren soll, sind bisher kaum in Sicht. Sollen die bewährten und weithin anerkannten Diplom-Abschlüsse einem letztlich am amerikanischen System orientierten Studium geopfert werden, ohne daß klar wäre, wie es um die Akzeptanz seitens potentieller Arbeitgeber steht? Die Frage ist geradezu paradigmatisch geworden: "Möchten Sie von einem Arzt operiert werden, der sein Studium nach sechs Semestern beendet hat“? Für die Lehrberufe wurde inzwischen durchgesetzt, daß der Bachelor für sie nicht hinreichen soll. Aber wofür soll er dann qualifizieren?

Es kann nicht bezweifelt werden, daß sich erhebliche Probleme angehäuft haben, die sich aber wohl mehr an der Umsetzung des Bologna-Prozesses festmachen als an dessen grundlegenden Zielsetzungen. Die Einwände sind gewichtig, und Fehlentwicklungen können nicht bestritten werden. So wird man zweifellos die Vorstellung, nur etwa 20 Prozent derer, die den Bachelor erworben haben, sollen zum Master-Studium zugelassen werden, aufgegeben müssen. Alle Signale deuten darauf hin, daß dies geschehen wird. Die Berufe, die bisher diplomierten Akademikern vorbehalten waren, werden auch in Zukunft zumeist nur Mastern offenstehen. Doch damit hat der Bachelor nicht ausgedient. Denn wenn ein erheblicher Teil der derzeitigen Studienabbrecher - in manchen Fächern mehr als 50 Prozent - einen in sich stehenden Abschluß machen kann und nicht nur einige Bruchstücke eines Diplomstudiengangs vorzuweisen hat, wird das die Berufschancen sicher verbessern. Wenn es den Bachelor erst einmal gibt, werden sich in vielen Fällen auch dazu passende Berufsbilder auftun. Daß es in der Gestaltung der Module und ihrer Vergleichbarkeit in Deutschland und in Europa ebenso zu Unzuträglichkeiten gekommen ist, wie bei der Berechnung der ECTS-Punkte, wird niemand bestreiten. Und daß der Prozeß nicht, wie zunächst intendiert, bis 2010 abgeschlossen sein kann, ist inzwischen offensichtlich.

Nachbesserungen sind ohne Zweifel nötig. Aber für sie ist der Prozeß mit seinen für alle zwei Jahre vorgesehenen Folgekonferenzen bereits angelegt. Zudem: Wie hätte man Fehlentwicklungen verhindern sollen? Schuldzuweisungen sind schnell gefunden. Hätte sich eine staatliche Stelle, ein Kultus- oder Wissenschaftsministerium mit der Macht durchzusetzen versucht, die erforderlich gewesen wäre, um Fehler zu vermeiden, hätte das die Autonomie der Universitäten und die Freiheit der Wissenschaft in einem Maß beeinträchtigt, das die Universitäten sicher nicht hingenommen hätten - ganz abgesehen von der Tatsache, daß auch dann sicher nicht alles problemlos gelaufen wäre. Zweifellos besteht heute erheblicher Korrekturbedarf, aber die Möglichkeiten für Korrekturen sind keineswegs verstellt.

Die heimliche Hoffnung, der gesamte Prozeß werde an den Unzulänglichkeiten und an den Problemen, die sich gezeigt haben, scheitern und die Hochschulen könnten dann letztendlich doch bei ihren bisherigen Studiengängen bleiben, dürfte wenig realistisch sein. Inzwischen sind bereits über 75 Prozent aller Studiengänge Bachelor- und Masterprogramme, fast zwei Drittel aller Studienanfänger werden in diesen Studiengängen eingeschrieben. Der politische Wille, Bologna durchzusetzen, scheint ungebrochen, unabhängig von parteipolitischer Couleur. Das Modell von Bachelor und Master ist zudem bereits so fest in europäischen Vereinbarungen verankert, daß eine grundlegende Änderung kaum noch als möglich erscheint. Vielmehr ist zu befürchten, daß dort, wo die Hochschulen oder Fächer sich verweigern, die Entscheidungen durch politische Instanzen getroffen werden.

Autonomie und Wettbewerb der Universitäten

Primär den Forschungsbereich, aber keineswegs ihn allein betrifft das Wettbewerbs - prinzip, das in die Universitäten eingeführt wurde. Ranking-Systeme und Exzellenz- Initiativen sollen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Hochschulen fördern. Die erheblichen Geldmittel, die in den vergangenen Jahren in die Hochschullandschaft geflossen sind, dienen primär dem Ausbau der "Leuchttürme“ wissenschaftlicher Exzellenz, der Spitzenforschung mit internationaler Reputation. Man will in der Weltklasse mitspielen, für die nun einmal die amerikanischen Eliteuniversitäten den Maßstab setzen. Was nicht im Rahmen der Exzellenzprojekte liegt, was eventuell nicht einmal Drittmittel in größerem Umfang eingeworben und so seinen wissenschaftlichen Wert unter Beweis gestellt hat, kann in der Universität nur wenig Sympathie und Förderung erwarten. Die Hochschulen verwalten ihre finanziellen und personellen Mittel inzwischen autonom, und sie sind geneigt, sie ("kostenneutral“) dorthin umzuschichten, wo sie Leuchttürme bilden wollen. Für alle, die schon von ihrer fachlichen Ausrichtung her weniger im Licht der Öffentlichkeit stehen, hat das zumeist einschneidende Konsequenzen. Außerhalb der Exzellenzinitiativen wird massiv eingespart.

Geisteswissenschaften schneiden in diesem Wettbewerb zumeist schlecht ab. Die Kriterien, nach denen Drittmittel vergeben werden, passen für sie nur sehr begrenzt. Doch auch hier gibt es Unterschiede. Historiker etwa tun sich wesentlich leichter, finanzielle Förderung für eine Edition oder für die Erforschung eines bisher nicht zugänglich gewesenen Archivs bewilligt zu bekommen als etwa Philosophen, die klassische Texte neu untersuchen wollen. Archäo logen, die Ausgrabungen machen Dialektforscher, die Feldforschung betreiben, können ihre Anträge wesentlich eher plausibel machen als etwa ein Dogmatiker, der über Neuansätze zur
Christologie oder zur Trinitätslehre arbeitet. Die Chancen, Drittmittel einzuwerben und damit als exzellenter Wissenschaftler zu gelten und in der Universität anerkannt zu werden, sind sehr ungleich verteilt, trotz aller Bemühungen um Gegensteuerung. Geisteswissenschaften stehen unter einem Legitimationsdruck, den Naturwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften so nicht kennen. Und dieser Legitimationsdruck gilt für die Theologie in besonderem Maß.

Die Situation in den theologischen Fakultäten

Eine von der Empirie bestimmte Sicht menschlicher Erkenntnis hat der Theologie oft ihren Ort an der Universität abgesprochen, beruhe sie doch nicht auf gesicherten Erkenntnissen und Beweisen, sondern auf Glauben und Autorität(5). Allerdings hat sich die Argumentation hier verschoben: Daß alle Wissenschaften die Voraussetzungen ihres Faches nicht mittels ihrer eigenen Methoden beweisen können, ist heute wissenschaftstheoretisch nicht mehr umstritten, selbst wenn dies nicht jedem Forscher in gleicher Weise bewußt ist. Was der Theologie angelastet wird, ist vor allem der Eindruck, daß sie nicht frei forschen könne, sondern in ihren Ergebnissen von einem Lehramt abhängig sei, das diese von vornherein vorschreibt und Abweichungen ausschließt. Weniger die Glaubensgebundenheit, als die Vermutung der "Parteilichkeit“ rückt die Theologie heute nicht selten ins Abseits. Eingriffe seitens kirchlicher Stellen, etwa in die Besetzung von Professuren durch Verweigerung des "Nihil obstat“, die in früheren Jahrzehnten eine Ausnahme darstellten, sich inzwischen aber häufen, wirken verheerend, denn sie scheinen den Vorwurf zu bestätigen, daß Theologie der Freiheit der Wissenschaft entbehre und deswegen keinen Platz an der Universität haben könne.

Frontale Angriffe auf die Universitätstheologie sind derzeit die Ausnahme, sie kommen eher aus innerkirchlichen Kreisen als aus den Reihen der Religionskritiker. Vor Jahren haben einige Bischöfe die kirchliche Zuverlässigkeit der von ihnen als "Staatstheologen“ apostrophierten Professoren pauschal in Zweifel gezogen und dafür plädiert, die Priesterausbildung in kirchliche Hochschulen zu verlegen, in denen die offizielle Lehre gewährleistet sei und eventuell mißliebige Dozenten problemlos abgesetzt werden könnten(6). Angesichts einer wachsenden Bedeutung religiöser Einstellung in der Gesellschaft und dem Gefühl einer Bedrohung durch fundamentalistische Tendenzen nicht allein im Islam, findet derzeit eine universitäre Ausbildung des künftigen religiösen Personals erneut Zustimmung in Politik und Öffentlichkeit. Insbesondere von einer religionswissenschaftlichen Betrachtung erhofft man sich Aufklärung und Zähmung gewaltbereiter Religion. Einer Theologie jedoch, die mit Wahrheitsanspruch auftritt, sich als Funktion der Kirche versteht und sogar konfessionell gebunden ist, traut man weniger zu, Frieden und Toleranz fördern zu können. Der Druck, theologische Fakultäten Schritt für Schritt in Richtung auf religionswissenschaftlich bestimmte Einrichtungen zu verändern, ist derzeit wohl deren gewichtigste Herausforderung.

Probleme wirft auch die Zahl der Studierenden auf. Gesellschaftliche Trends, zusammengefaßt unter dem Stichwort Säkularisierung, treffen auch die theo logischen Fakultäten. Zwar ist die Gesamtzahl mit rund 19000 Studierenden bundesweit weithin stabil, ein Orchideenfach ist katholische Theologie nicht. Jedoch kombinieren inzwischen nahezu drei Viertel der Studierenden Theologie mit einem oder mehreren Fächern und streben einen Beruf im Lehramt an, während noch zum Beginn der 90er Jahre rund zwei Drittel auf dem Weg zum Diplom waren. Die Diplom- Studierenden, auf die hin das Lehrangebot immer noch weithin ausgerichtet ist(7), sind nicht mehr der Regel-, sondern beinahe schon der Ausnahmefall. Diese Verschiebung wird für die Fakultäten einschneidende Veränderungen bringen.

Der Schutz, den Konkordate den theologischen Fakultäten bieten, bezieht sich auf die Ausbildung der Priesteramtskandidaten, deren Zahl dramatisch gesunken ist. Nachdem nun vielerorts auch weniger diplomierte Laientheologen in kirchlichen Berufen angestellt werden, geht auch die Zahl der "Laien“, die das Diplom anstreben, deutlich zurück und hat mancherorts einen kritischen Wert erreicht.

In Bayern wurde 2007 beschlossen, den Fakultätsstatus von zwei der sechs theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten(8), nämlich jener von Bamberg und Passau, für zunächst 15 Jahre ruhen zu lassen und sie als Institute für Lehrerbildung weiterzuführen(9). Massive Einsparmaßnahmen hatten schon vorher den Personalbestand aller bayerischen Fakultäten bis an die Grenze ihrer wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit reduziert. Derzeit nimmt der Druck zu, insbesondere im Rheinland bestehende Institute zur Lehrerbildung, wo viele Studierende von sehr wenigen Professoren und Dozenten betreut werden, mit Fakultäten kooperieren zu lassen, die personell noch wesentlich besser ausgerüstet sind. Die kirchlichen Stellen wären schlecht beraten, wenn sie sich derartigen Wünschen allein unter Verweis auf bestehende Verträge widersetzen würden. Das Beispiel Bayern, wo dies versucht wurde, und in der Konsequenz auch jene Fakultäten, die letztlich erhalten geblieben sind, so sehr reduziert wurden, daß sie jetzt nur noch durch Kooperation mit anderen Fakultäten ihren Diplom-Studiengang durchführen können(10), sollte warnendes Beispiel sein. Diese Notlösung, durch die man zunächst alle Fakultäten retten wollte, wurde schnell auch anderwärts als das "bayerische Modell“ aufgegriffen und unter dem Motto: "Wenn das schon im katholischen Bayern möglich ist ...“ als Normalfall gehandelt.

Wie fast überall ist auch in den theologischen Fakultäten in Deutschland der Bologna- Prozeß auf wenig Gegenliebe gestoßen. Zunächst stellte sich die Frage, wozu ein sechssemestriges Theologiestudium dienen soll. Der Evangelisch-Theologische Fakultätentag, der Zusammenschluß der evangelisch-theologischen Fakultäten in Deutschland, hat sich insgesamt ablehnend verhalten. Mit der Begründung, daß evangelische Theologiestudierende in der Regel eine kirchliche Prüfung ablegen, hoffte man, sich gegenüber den Reformen des Bologna-Prozesses abgrenzen zu können. Jeder Gedanke an die Übernahme eines Pfarramtes durch Bachelor-Theologen sollte so von vornherein abgewiesen werden(11).

In der katholischen Theologie haben universalkirchliche Normen(12) Vergleichbarkeit und Anerkennung von Studienleistungen schon bisher gewährleistet. Es stellte zumeist kein Problem dar, Absolventen mit einem theologischen Diplom von woher auch immer an einer deutschen Fakultät zum Promotionsstudium zuzulassen. Gegebenenfalls wurden Auflagen gemacht, noch fehlende Leistungen zu erbringen. Durch die überschnell erzwungene Modularisierung drohte die bestehende Vergleichbarkeit von einem Chaos abgelöst zu werden, das selbst einen Wechsel innerhalb Deutschlands oder gar eines Bundeslandes unmöglich machen würde. Um solchen Konsequenzen entgegenzuwirken, hat sich der Katholisch-Theologische Fakultätentag dafür eingesetzt, die Kompatibilität der Studiengänge auch weiterhin zu gewährleisten(13). Prinzipiell ablehnen wollte man den Bologna-Prozeß nicht. Es herrschte die Sorge, die Berufung auf einen Sonderstatus der Theologie, begründet durch konkordatäre Vereinbarungen, könnte zu einer Entwicklung führen, in deren Verlauf die Theologie ihren Ort innerhalb des Hochschulrechts und damit an der Universität verlieren würde. Diese Gefahr erschien als zu groß. Und zudem: Vielleicht liegt in der Modularisierung des Studiums auch eine Chance. Die Studierenden der Theologie haben ja immer geklagt, daß es für sie kaum möglich sei, über die Grenzen der Einzeldisziplinen hinweg die Theologie als Ganze und die Einheit des Fachs zu erkennen. Vielleicht kann die Kooperation, zu der die Dozenten innerhalb der Module verpflichtet werden, diese Isolierung der Disziplinen überwinden und Anregungen und Erkenntnisse anderer Methoden rezipieren helfen.

Dabei war unbestritten: Für einen kirchlichen Beruf, für den bisher das Diplom gefordert war, kann der künftige Bachelor keinesfalls hinreichen. Für Priester und Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten ist der Master Bedingung. Darum müsse sichergestellt sein, daß diejenigen, die den Grad des Bachelor erworben haben und in einen kirchlichen Beruf eintreten wollen, zum Master-Studiengang zugelassen werden. In diesen Forderungen waren sich die Fakultäten und die zuständigen kirchlichen Stellen völlig einig. Aber sollte man nicht auch die Möglichkeit eröffnen, daß Studierende, die nicht einen kirchlichen Beruf oder ein Lehramt für Religion anstreben, einige Semester Theologie hören und einen akademischen Grad erwerben können? Theologische Qualifikation auch außerhalb der traditionellen kirchlichen und schulischen Berufe, etwa in der Öffentlichkeitsarbeit oder in Politik und Wirtschaft, wäre zweifellos erstrebenswert. Schließlich hat Theologie in der Breite ihrer Disziplinen etwas zu bieten, was für viele Studierende, die eine umfassende Einführung in geisteswissenschaftliches Arbeiten suchen und deren Methodik erlernen wollen, durchaus von Interesse sein könnte.

Von diesen Fragen herausgefordert, hat der Katholisch-Theologische Fakultätentag nach einem intensiven Konsultationsprozeß im Januar 2005 ein Modell für eine Studienordnung entworfen, die sowohl an den traditionellen theologischen Fächern, deren Gewichtung und Studienanteilen festhält, als auch die Lehrinhalte in thematisch bestimmten Modulen zusammenordnet und sie in einem Bachelor/Master- Studiengang organisiert(14). Für das Bachelor-Studium wurde ein verhältnismäßig detaillierter Plan von Modulen umschrieben, der nach einer Einführung in die wissenschaftlichen Methoden einen Überblick über die Theologie in ihrer Vielfalt und Ganzheit vermitteln soll. Einer Schwerpunktsetzung und anfänglichen Spezialisierung sollte dann vor allem das Master-Studium dienen. Für dieses blieb der Rahmenplan weithin offen, es soll Raum bieten für unterschiedliche Vertiefungen entsprechend den Möglichkeiten der Hochschule und der wissenschaftlichen Ausrichtung der Professoren. Für das Promotionsstudium, das ausschließlich der fachwissenschaftlichen Qualifizierung dient, wurde keine Modularisierung vorgesehen. Dieses Modell wurde von den Fakultäten und Instituten fast einstimmig angenommen, eine von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe hat es sich weitgehend zueigen gemacht.

Für die Fakultäten bestand damit ein Rahmen, der entsprechend den jeweiligen Möglichkeiten und Schwerpunktsetzungen konkretisiert werden muß, der aber helfen kann, die Vergleichbarkeit und damit die geforderte Akkreditierung zu gewährleisten. Sicher blieben Wünsche offen: An vielen Fakultäten bestehen neben dem üblichen Fächerkanon Speziallehrstühle, deren besonderes Lehrangebot nicht in einen allgemeinen Rahmen aufgenommen werden konnte. Gewichtiger ist die Tatsache, daß vor allem an Instituten zur Lehrerbildung die Theologie durch wenige Professuren angeboten werden muß. Eine einfache Übernahme des vorgeschlagenen Modells wird dort nicht zu realisieren sein. Zudem konnten Einwände besonders der exegetischen und historischen Fächer nicht völlig ausgeräumt werden. Da die Module thematisch ausgerichtet sind und einen Namen tragen, zum Beispiel "Mensch und Schöpfung“, "Jesus Christus und die Gottesherrschaft“, "Christ werden in heutiger Kultur und Gesellschaft“, bestand die Sorge, diese Fächer würden wieder in die überwunden geglaubte Lage zurückgeworfen, "dicta probantia“ - also Belegstellen - für die systematisch vorgegebene Thematik zu liefern, und damit als Hilfswissenschaften der Dogmatik dienen zu müssen und in ihrer wissenschaftlichen Eigenständigkeit beeinträchtigt zu werden. Es herrschte Einvernehmen, daß einer derartigen Entwicklung jedenfalls gewehrt werden muß. Ungelöst blieb die Frage nach dem Erwerb der geforderten Sprachkenntnisse. Wenn diese in dem Umfang mit ECTS Punkten versehen würden, wie es dem faktischen workload entspricht, bliebe im Bachelor-Zyklus für das übrige Studium nicht mehr viel übrig. Doch dieses Problem besteht auch in den herkömmlichen Studiengängen. Es ist wohl ohne eine Erhöhung der Studiendauer nicht zu lösen.

Für die katholische Theologie ergibt sich ein spezifisches Problem dadurch, daß ihre Studiengänge auch von der Bischofskonferenz und vom Vatikan anerkannt werden müssen (15). Zwar ist der Heilige Stuhl 2003 dem Bologna-Prozeß beigetreten, er hat dabei aber erklärt, daß die Ordnung der kanonischen(16) Studien dadurch nicht präjudiziert werde. Die Bildungskongregation bewertete den Modularisierungsvorschlag des Fakultätentags durchwegs positiv, die Modularisierung des Studiums wurde nicht in Frage gestellt. In der inhaltlichen Umschreibung hatte man keine Alternative, ganz zu schweigen von einem überzeugenderen Konzept. Dagegen wollte die Bildungskongregation der Einführung eines Bachelors keinesfalls zustimmen, es werde kein Studienplan genehmigt, der einen Abschluß mit weniger als fünf Jahren Studiendauer vorsieht(17). Zudem dürfe dieser Abschluß nicht als Master, sondern solle auch weiterhin als Diplom bezeichnet werden und den Titel eines Diplomtheologen (Dipl. theol.) verleihen. Inzwischen wurde festgelegt, den Studienabschluß als Magister und den erworbenen Titel als Magister theologiae (M. theol. oder Mag. theol.)(18) zu benennen.

Auf der Basis dieser Vorgaben beschloß die Deutsche Bischofskonferenz im März 2006 die "Kirchlichen Anforderungen an die Modularisierung des Studiums der Katholischen Theologie (Theologisches Vollstudium) im Rahmen des Bologna- Prozesses“(19), die dann durch Dekret der vatikanischen Kongregation für das Katholische Bildungswesen im Dezember 2006 für fünf Jahre "ad experimentum“ approbiert wurden. Für die Akkreditierung(20) der theologischen Studiengänge wurde im September 2008 eine "Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung kanonischer Studiengänge in Deutschland e.V.“ (AKAST) gegründet(21). Sie hat ihren Sitz in Eichstätt, ist vom Akkreditierungsrat, der die Agenturen überwacht und akkreditiert, anerkannt. Sie ist damit den in Deutschland allgemein geltenden "Kriterien zur Akkreditierung von Studiengängen“ verpflichtet und verfährt nach ihnen. Die theologischen Fakultäten im deutschen Sprachraum sind derzeit Großbaustellen, nicht anders als die Universitäten insgesamt. Untergangsstimmung aber scheint nicht angesagt zu sein. Sicher sind die Herausforderungen erheblich, Fehlentwicklungen müssen, sie können aber auch korrigiert werden. Vor allem fordern die Reformzwänge zu einer Neubesinnung heraus. Vielleicht ist die Theologie derzeit durch institutionelle Vorgaben zu einer Reflexion auf ihr Selbstverständnis herausgefordert, wie kaum einmal seit den Reformansätzen der Aufklärungszeit. Damals haben etwa Franz Rautenstrauch (1734-1785) in Wien und Johann Sebastian Drey (1777-1853) in Tübingen die Herausforderungen erkannt und sie als Chance ergriffen und genutzt.

Stimmen der Zeit (2009) 685-704

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