Synodale Kirche

Als Papst Johannes XXIII. am 25. Januar 1959 ein „ökumenisches“ Konzil ankündigte, war die Reaktion der anwesenden (siebzehn) Kardinäle in San Paolo fuori le mura „eindrucksvolles, andächtiges Schweigen“ (impressionante, devoto silenzio). Der „Osservatore Romano“ brachte ein knappes Kommuniqué des Staatssekretariats, die Ansprache des Papstes selbst wurde erst viele Wochen danach quasi en passant veröffentlicht. Warum auch sollte es ein Konzil geben, da doch das Vatikanum von 1869/70 den Jurisdiktionsprimat und die Unfehlbarkeit definiert hatte? Seither konnte der Papst alles im Alleingang entscheiden. Beratung oder gemeinschaftliche Entscheidungsfindung brauchte es von daher nicht mehr. Der promovierte Kirchenhistoriker und ehemalige Vatikandiplomat Angelo Roncalli, vor seiner Wahl Patriarch von Venedig, war anderer Ansicht.

Zum Auftakt der vierten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanums, am 14. September 1965, kündigte Paul VI. die Einrichtung der Bischofssynode an, was nach Klaus Mörsdorf „zu einer spontanen Beifallskundgebung aller Konzilsväter“ führte. Drei Monate vor Konzilsende entsprach der Papst damit deren „begreiflichen Sorge um die weitere Wirksamkeit des Kollegialitätsprinzips“. Schon einen Tag später wurde in der Aula das Motu proprio „Apostolica sollicitudo“ verkündet, mit dem der Papst den Bischöfen, denen zwei Schemata vorgelegen hatten, in gewisser Weise zuvorgekommen war. Der Wunsch nach einer repräsentativen Beteiligung oder Vertretung des Bischofskollegiums lag in der Luft. Schon während der Debatten, deren Ergebnisse in Nr. 5 des Dekrets „Christus Dominus“ ihren Niederschlag fanden, gab es Stimmen, die davor warnten, in der Bischofssynode eine „parlamentarische Repräsentation“ des Weltepiskopats zu sehen.
Ist dieses Instrument des Konzils effizient und fruchtbar geworden? Inzwischen kann die Kirche auf fünfzig Jahre Erfahrung mit Bischofssyoden zurückschauen, von denen es mittlerweile über ein Dutzend Ordentliche Generalversammlungen gab.

Unübersehbar setzt Papst Franziskus auf Synodalität. Als er Ende Juni 2013 zum ersten Mal neuen Erzbischöfen das Pallium überreichte, betonte er den „Weg der Synodalität“ und kam dann auch im Interview mit Antonio Spadaro SJ im August 2013 darauf zu sprechen: „Man muss gemeinsam gehen: Volk, Bischöfe, Papst. Synodalität muss auf verschiedenen Ebenen gelebt werden. Vielleicht ist es Zeit, die Methode der Synode zu verändern, denn die derzeitige scheint mir statisch.“ Seine Leitungserfahrung als Novizenmeister, Provinzial und Rektor sowie als Erzbischof von Buenos Aires hat ihn geprägt. Auf Einwände, man solle „nicht zu viel beraten, sondern entscheiden“, antwortet er: „Die Konsistorien und die Synoden sind […] wichtige Orte, um […] Konsultation wahrhaftig und aktiv durchzuführen.“

Dass er das ernst meint und damit ernst macht, zeigen die beiden Familiensynoden von 2014 und 2015. Eine der ersten Synode vorausgehende weltweite Befragung war ein absolutes Novum. Dass sein Vorgehen irritieren und Bischöfe überfordern kann, ist evident geworden. Mehrmals musste er sie ermutigen, offen und nicht taktisch motiviert zu sprechen. Synodalität mutet der Kirche und mutet Bischöfen einiges zu. Wie viel Synodalität verträgt die Kirche? So fragen manche. Wie viel Synodalität kann sich ein Papst leisten? Franziskus lässt keinen Zweifel daran, dass Synodalität nicht eine „Parlamentarisierung der Synode“ bedeutet: „Er verlagert nicht Autorität auf ein Kollektivgremium.“ (Bernd Hagenkord SJ) Der Papst sieht sich selbst als Garant: Die Synode arbeitet „cum Petro et sub Petro“, sie bleibt Beratungs-, nicht Entscheidungsgremium.

Am 17. Oktober 2015 hielt Franziskus beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Einrichtung der Bischofssynode eine vielbeachtete Rede. Seit seiner Wahl ging es ihm darum, „die Synode aufzuwerten, die eines der kostbarsten Vermächtnisse der letzten Konzilssitzung ist.“ Denn: „Die Welt, in der wir leben […], verlangt von der Kirche eine Steigerung ihres Zusammenwirkens in allen Bereichen ihrer Sendung. Genau dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet.“

Für sein „Konzept“ einer synodalen Kirche sind dem Papst die Konzilskonstitution „Lumen gentium“ und sein Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ leitend. Er zitierte in seiner Rede den Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos, demzufolge „Kirche und Synode Synonyme sind“. Dass eine synodale Kirche „eine Kirche des Zuhörens“ ist und dass es „ein wechselseitiges Anhören, bei dem jeder etwas zu lernen hat“, braucht, ist nicht als päpstliche Rhetorik abzutun. Es geht um „echte, nicht formelle Beratungen“.

Die Bischofssynode ist für den Papst „nur der sichtbarste Ausdruck einer Dynamik der Gemeinschaft, die alle kirchlichen Entscheidungen inspiriert.“ Er benennt ein Desiderat: „Wir sind auf halbem Wege, auf einem Teil des Weges.“ „Die Bischofssynode“, so Franziskus, „drückt die affektive Kollegialität aus, die bei einigen Gelegenheiten zu einer ,effektiven‘ werden kann, welche die Bischöfe untereinander und mit dem Papst verbindet in der Sorge für das Volk Gottes.“ Vorbehalten hält er entgegen: „Ich bin überzeugt, dass in einer synodalen Kirche auch die Ausübung des petrinischen Primats besser geklärt werden kann. Der Papst steht nicht allein über der Kirche, sondern er steht in ihr als Getaufter unter den Getauften […].“

Kardinal Christoph Schönborn OP erinnerte in seiner Rede an das Jerusalemer Apostelkonzil. Wie die Jünger damals seien die Bischöfe heute aufgefordert, ihre Erfahrungen, selbst kontrovers, auszutauschen: „Auch dort, wo abgestimmt wird (wie am Ende jeder Synode), geht es nicht um Machtkämpfe, Parteibildungen […], sondern um diesen gemeinschaftlichen Prozess zur Bildung eines Urteils, wie wir es in Jerusalem gesehen haben.“ Michael Sievernich SJ, vom Papst persönlich berufener Experte der Synode 2015, bringt seine Erfahrung auf den Punkt: „Je globaler die Kirche aufgestellt ist, desto synodaler wird sie werden (müssen).“

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