Welche Bischöfe braucht es heute?

Bei vielen Gelegenheiten machte Papst Franziskus unmissverständlich klar, er wünsche sich Bischöfe und Priester, die wie „Hirten mit dem Geruch der Schafe“ seien, keine „Funktionäre“ oder „Staatskleriker“. Er bleibt sich damit treu. Denn dieses Motiv durchzieht schon Predigten, Ansprachen oder Katechesen des vormaligen Erzbischofs von Buenos Aires. Kurienmitarbeiter, darunter Kardinäle und Erzbischöfe, hat er angewiesen, regelmäßig in der römischen Kirche Santo Spirito in Sassia Beichte zu hören, damit sie den Anschluss an die Realität nicht verlören. Beim Weihnachtsempfang für die Römische Kurie am 22. Dezember 2014 hat er dieser fünfzehn Krankheiten vorgehalten, die als „Bischofsschelte“ durch die Presse gingen; dabei ging es um einen spirituellen Beichtspiegel für die Gewissenserforschung.

Darunter war die „Krankheit, die Vorgesetzten zu vergöttern: Es ist die Krankheit derer, die ihre Oberen hofieren in der Hoffnung, deren Gunst zu erlangen. Sie sind Opfer des Karrierismus und des Opportunismus […]. Diese Krankheit könnte auch die Oberen befallen, wenn sie einige ihrer Mitarbeiter hofieren, um ihre Unterwerfung, Treue und psychologische Abhängigkeit zu erlangen, doch das Endergebnis ist eine wirkliche Komplizenschaft.“ Dafür wurde der Papst bewundert - und kritisiert. Manche übersahen, dass die skizzierten Phänomene „eine Gefahr für jeden Christen und jede Verwaltung, Gemeinschaft, Orden, Pfarrei und kirchliche Bewegung“ sein können.

Hat der Papst Bischöfe besonders in den Blick genommen? Er möchte, dass sie „mitten unter dem Volk sind, so wie Jesus, der gute Hirte“, also Seelsorger, und er schickt sie dafür an die „Ränder“. Sieht man sie dort? Wiederholt warnte er Bischöfe vor „Karrieredenken“. Er empfahl ihnen, verstärkt Präsenz in ihren Bistümern zu zeigen und nahe bei den Menschen zu sein.

Ohne ausdrückliche Aufforderung ging es dann offenbar nicht - und dahinter steckte wieder eine eigene Erfahrung, die der Papst zum Auftakt der Bischofssynode im Oktober 2014 in einer Grußadresse mitteilte: „Nach dem letzten Konsistorium (Februar 2014), bei dem über die Familie gesprochen wurde, hat mir ein Kardinal geschrieben: ,Schade, dass einige Kardinäle aus Respekt vor dem Papst nicht den Mut gehabt haben, gewisse Dinge zu sagen, weil sie meinten, dass der Papst vielleicht anders denken könnte.‘ Das ist nicht in Ordnung, das ist keine Synodalität, weil man alles sagen soll, wozu man sich im Herrn zu sprechen gedrängt fühlt: ohne menschliche Rücksichten, ohne Furcht. Und zugleich soll man in Demut zuhören und offenen Herzens annehmen, was die Brüder sagen. Mit diesen beiden Geisteshaltungen üben wir die Synodalität aus.“

Dass der Synode eine Umfrage vorausging, mit der der Papst erheben lassen wollte, was Gläubige in Sachen Sexualmoral wirklich denken, hat viele Bischöfe und Bischofskonferenzen überrascht - und überfordert, wie die teils dilettantische Durchführung (wenn überhaupt) vor Ort zeigte. Zum Abschluss der Synode meinte der Papst, er sehe es nicht als dramatisch an, dass es „lebhafte Diskussionen“ gegeben habe. Wie Ignatius von Loyola habe er diese als „Regungen verschiedener Geister“ wahrgenommen: Er sei dankbar für „Redebeiträge und Wortmeldungen voller Glauben […], voller Einsatz für Pastoral und Lehre, voll Weisheit, Offenheit, Mut und Parrhesia.“

Gibt es also ein Bischofsproblem in der Kirche? Dass der Bischof von Rom dazu auffordern muss, sich nicht schön ins Gesicht zu reden, obwohl man anders denkt und fühlt, spricht Bände. Es kann nur bedeuten, dass die offene Aussprache nicht gerade zu den Selbstverständlichkeiten unter Bischöfen gehört. Unterwürfigkeit, Angst und (falsche) Rücksicht spielen mit - Reizwort: „Sonderwege“.

„Lumen gentium“ hält nicht nur fest: „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi“. Die Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils betont gleichzeitig: „Sie sind nicht als Stellvertreter der Bischöfe von Rom zu verstehen, denn sie haben eine ihnen eigene Gewalt (potestas) inne und heißen in voller Wahrheit Vorsteher des Volkes, das sie leiten.“ (LG 27) Bischöfe sind also gerade nicht Filialleiter einer Konzernzentrale oder Stellvertreter des Papstes vor Ort. Sie geraten dadurch zweifach unter Druck: Ihre Basis will, dass sie ihre Anliegen nach Rom weiterleiten, doch sollten sie nicht als „Briefträger“ ihrer Ortskirchen instrumentalisiert werden. Andererseits schulden Bischöfe dem Papst Gehorsam. Schließt das Widerspruch aus?

Eugenio Pacelli hat - nachzulesen bei Hubert Wolf - in seinem Abschlussbericht als Apostolischer Nuntius in Deutschland 1929 ein tridentinisches Bischofsideal gezeichnet: „Studium am Collegium Germanicum in Rom, aus dem absolute Rechtgläubigkeit resultiert, kindliche Ergebenheit gegenüber dem Heiligen Stuhl, Rechtgläubigkeit in der Lehre und Ablehnung aller modernen Bewegungen“.

Welche Bischöfe brauchen die Menschen und die Kirche heute? Wie zeigt sich Selbstbewusstsein? Es braucht nicht die Imitation eines „Stils“ oder Kopien von „Franziskus-Bischöfen“. Vokabeln wie „Barmherzigkeit“ oder „Zärtlichkeit“ zu wiederholen nützt nichts, wenn nicht den damit verbundenen Inhalten mit Kopf und Herz zugestimmt wird. Es geht darum, die mit Papst Franziskus begonnene pastorale Wende mitzutragen, die Veränderungen mit sich bringen wird. Zur Kollegialität gehört die Verantwortung der Bischöfe für den Gestaltwandel.

In „Evangelii gaudium“ liest man über den Bischof: „Darum wird er sich bisweilen an die Spitze stellen, um den Weg anzuzeigen und die Hoffnung des Volkes aufrecht zu erhalten, andere Male wird er einfach inmitten aller sein mit seiner schlichten und barmherzigen Nähe, und bei einigen Gelegenheiten wird er hinter dem Volk hergehen, um denen zu helfen, die zurückgeblieben sind, und - vor allem - weil die Herde selbst ihren Spürsinn besitzt, um neue Wege zu finden.“ (EG 31) Wir brauchen mutige Bischöfe, die „cum et sub Petro“ vorwärts schauen und neue Wege zu den Menschen finden.

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