MenetekelWarum die Flüchtlingskrise weit mehr als eine Flüchtlingskrise ist

Immer größere Teile der Welt werden unbewohnbar wie der Mond. Immer mehr Menschen verlassen ihre Heimat, weil sie kein Ort mehr ist, an dem sie überleben könnten. Aus verschiedenen Gründen: Krieg, Terror, ökologische Katastrophen, wirtschaftlicher Niedergang, zerfallende Staaten, rassistische Verfolgung von Minderheiten. Nach Auskunft der UNO-Flüchtlingshilfe befinden sich derzeit knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie nie zuvor: Flüchtlinge, Asylsuchende, Staatenlose und im eigenen Land Vertriebene (IDPs - internally displaced persons). Tendenz steigend.

Diese Zahlen sollen keinem Alarmismus dienen und Wasser auf die Mühlen einer „Das Boot ist voll“-Politik leiten. Im Gegenteil: Die Zahlen lassen die Illusion nicht mehr zu, es handele sich bei den gegenwärtig eintreffenden Asylsuchenden lediglich um zeitlich begrenzte Höchststände aufgrund einzelner regionaler Konflikte, die ausgesessen werden könnten. Das Problem ist global, und es ist strukturell. Das wird zumeist nicht beachtet, denn verhandelt wird das Flüchtlingsproblem hierzulande eher als Konflikt zwischen moralischer Verpflichtung und Aufnahmekapazität. Das ganze Bild kommt kaum einmal in den Blick. Dabei ist die Häufung von Gewalt, Bürgerkriegen und Terrorismus in immer mehr Weltgegenden keineswegs zufällig. Und ebenso wenig ist es ein Zufall, dass beispielsweise in Afrika Wirtschaft und Umwelt in manchen Regionen so ruiniert sind, dass Millionen dort keine Zukunft für sich und ihre Kinder mehr sehen. Was also ist das Strukturelle an dieser Situation?

Grenzen des Wachstums

Ein Blick auf den 13. August 2015 könnte zu einer ersten Antwort führen. An diesem Tag des Jahres nämlich, so die Berechnungen der internationalen Forschungsgruppe Global Footprint Network, hat die Menschheit bereits ihren kompletten Jahresvorrat an natürlichen Ressourcen (Luft, Wasser, Nutzholz, Fisch usw.) verbraucht. Alles, was sie danach bis zum Jahresende noch den Naturschätzen entnimmt, kann die Erde nicht mehr regenerieren. Natürlich ist die Rede von „der Menschheit“, die all diese Güter konsumiert, irreführend, denn der Verbrauch ist keineswegs überall gleich. Bis zum Jahresende werden die USA das 1,9-fache dessen verbrauchen, was ihnen im Sinne eines ökologischen Gleichgewichts zusteht. In China wird es 2,7-mal so viel sein, in Japan sogar 5,5-mal. Auch Deutschland verbraucht mit einem Faktor von 2,1 mehr als das Doppelte dessen, was es nutzen dürfte, wenn die Erde weiter bestehen soll1.

Alles, was über den berechneten Jahresvorrat hinausgeht, ist nicht nachhaltig, verursacht also Zerstörung. Und ein Land, das doppelt so viel Ressourcen verbraucht, wie ihm nach Maßstäben der ökologischen Gerechtigkeit zusteht, greift notwendigerweise auch auf die Ressourcen anderer Teile der Welt zurück. Unser „Bedarf“ an Kaffee, Baumwolle, Seltenen Erden, Öl, Gas, Kohle, Coltan usw. wird über den Weltmarkt befriedigt, und dort werden die Preise kaum von den Erzeugern bestimmt, sondern in weit höherem Maß von global agierenden Konzernen und den Terminbörsen. Von den ungeheuren Naturreichtümern etwa in Lateinamerika oder Afrika profitieren nahezu nicht die Länder oder gar die Erzeuger selbst; die Gewinne fließen in andere Teile der Welt ab. Die Erzeugerländer zahlen den Preis für die bedenkenlose Ressourcenübernutzung vor allem im globalen Norden.

Ganze Landstriche fallen der ökologischen Verheerung anheim, regionale Wirtschaften brechen zusammen, Staaten scheitern. Und wo die staatlichen Gewaltmonopole nicht mehr aufrechterhalten werden können, machen sich Warlords, Milizen und parastaatliche Gruppierungen breit. Auch Großkonzerne „engagieren sich“ zunehmend vor Ort, indem sie etwa von korrupten Behörden Schürfrechte für Bodenschätze erwerben und mit den Ländereien unter ihrer Kontrolle nach Gutdünken verfahren. Kinderarbeit und „Verzicht“ auf jegliche Arbeitsschutzbestimmungen inklusive. Kurz vor seinem Tod im Jahr 2010 sprach der deutsche Soziologe Lars Clausen hinsichtlich all dieser Vorgänge von einer „gescheiterten Globalisierung“2.

Wachstumszwänge

Diese Lage ist aufs engste verknüpft mit der konkurrenzbasierten Wachstumswirtschaft. Sie ist heute das fast überall bevorzugte Wirtschaftsmodell und beruht darauf, dass Unternehmen sich beständig um die Vergrößerung ihrer Absätze und Erweiterung ihrer Marktanteile bemühen müssen, weil sie andernfalls gegenüber ihrer Konkurrenz ins Hintertreffen gerieten. Werden nicht kontinuierlich mehr Güter produziert, Waren umgesetzt, Rendite erzeugt und die Arbeitskraft der Menschen effektiver genutzt, geraten Unternehmen in die Krise, müssen Arbeitsplätze abbauen und fürchten, sich nicht mehr am Markt halten zu können. Deshalb müssen die Wünsche der Kunden immer neu stimuliert werden; immer neue Produkte werden erfunden und anstelle der alten angeboten, und die meisten Gebrauchsgüter werden von vornherein so produziert, dass sie nach einer gewissen Zeit nicht mehr funktionieren und ersetzt werden müssen. Das nennt man „geplante Obsoleszenz“.

Das Paradebeispiel dafür ist wohl die um 1900 eingeführte Glühbirne: Sie war ursprünglich so konstruiert, dass sie nicht kaputt ging. In den 1920er Jahren gab es deshalb Anzeichen, dass der Markt gesättigt war und sich mit Glühbirnen kein Geld mehr verdienen ließ. Darum einigten sich die Hersteller - in einer der frühesten belegten Kartellbildungen - im Jahr 1924 darauf, die handelsüblichen Birnen mit Glühfäden auszustatten, die nach circa 1000 Betriebsstunden durchbrannten. So wurde künstlich ein Ersatzbedarf geschaffen - in einem wohlkalkulierten Rahmen, den die Kunden noch akzeptieren würden.

Heute kümmern sich die meisten Konsumenten nicht darum - oder sie finden es sogar in Ordnung, wenn ihre CD-Spieler, Computer, Drucker usw. nach einer bestimmten Betriebsdauer planmäßig zu Müll werden. Denn schließlich müsse die Wirtschaft ja „weiterlaufen“. Dass wir für viele Güter heute eigentlich kein Geld mehr ausgeben müssten, wenn sie so gebaut wären, wie es die Ingenieurskunst durchaus vermag, dass wir also weit weniger Ressourcen verbrauchen, Geld ausgeben und arbeiten müssten, tritt nur wenigen ins Bewusstsein.

Systemimmanent ist dem nicht beizukommen. Konkurrenzwirtschaft braucht Wachstum, sonst kommt sie zum Erliegen. Darum wird es als wirtschaftspolitisches Dogma weiterhin verfochten, auch wenn die Grenzen dieser Wirtschaftsweise längst erreicht und zum Teil gefährlich überschritten sind. Sie wird, wie der Sozialpsychologe Harald Welzer sagt, „an dem schlichten Sachverhalt scheitern, dass es keinen Raum für weitere Expansion mehr gibt“3. Noch aber steigen Produktion, Rohstoffverbrauch und Treibhausgasemissionen weiter an. Und im Gleichtakt damit wachsen die Wüsten, nehmen Überflutungen, Trockenheiten und extreme Stürme weiter zu; der Meeresspiegel steigt. Viele Menschen in Ozeanien fliehen bereits von ihren Inseln.

Zeit der Zäune

Das Schwinden von Lebensperspektiven in immer mehr Weltregionen sorgt schon seit Längerem für einen Zustrom von Migranten in die wohlhabenderen Länder. Bereits um die Jahrtausendwende begannen USA wie EU mit der Errichtung kostspieliger Grenzbefestigungen an ihren Südgrenzen. Sowohl die Sicherungsanlagen an der Grenze zu Mexiko als auch in den afrikanischen Enklaven Spaniens sprechen eine deutliche Sprache: Zuwanderer sind unerwünscht, gelten als bedrohliche Eindringlinge, gegen die man jedes Recht hat, sich zu wehren, notfalls auch mit Gewalt. Auch die Aufsteigerstaaten des 21. Jahrhunderts - China, Brasilien und Indien - investierten inzwischen in ähnliche Anlagen. Und mit der Errichtung von Schutzzäunen in Ungarn und am Tunnelbereich des Ärmelkanals wird das Abschottungsbedürfnis Europas noch lange nicht befriedigt sein.

Grundlage all dieser Aktivitäten ist offenkundig die Überzeugung, ein Recht zu haben auf die Sicherung des eigenen Wohlstands, ein Recht zu haben auf die Fortführung von Konsumgewohnheiten und die Übernutzung von Ressourcen aus allen Weltgegenden. Das scheint umso entschiedener zu gelten, je deutlicher die Unhaltbarkeit des bisherigen Wirtschaftens vor aller Augen steht. Unsere Politiker gehen - nicht ganz grundlos - davon aus, ein Mandat zu haben zur Wohlstandssicherung ihrer Wählerschaft. Notfalls auch unter Ausübung von handfestem Druck.

So setzte die EU etwa mit Ghana in den 1990er Jahren ein Abkommen durch, wonach das Land seinen Markt für europäisches Geflügelfleisch öffnen musste. Ghana wollte das vermeiden und hatte versucht, seine Wirtschaft mit Importzöllen gegen die industrielle Billigfleischproduktion aus Europa zu schützen. Doch umgehend drohten internationale Geldgeber mit dem Stopp von Finanzhilfen, und Ghanas Regierung musste ihr Gesetz zurückziehen. Heute liegt der Geflügelmarkt des Landes fast völlig danieder - die einheimischen Geflügelbauern, Händler und Futtermittelhersteller konnten der europäischen Konkurrenz nicht standhalten, die meisten gingen Pleite. So gewann die EU einen Absatzmarkt für ihre Fleischproduzenten und förderte diese anfangs sogar mit Ausfuhrsubventionen. Währenddessen schaut Ghana auf viele neue Arbeitslose und zerstörte Existenzen.

Diese Geschichte wiederholt sich aktuell in Ostafrika. Auch Kenia wehrte sich gegen den Abschluss eines Freihandelsabkommens der EU mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft, das die weitgehende Liberalisierung der Märkte und den schrittweisen Abbau aller Importzölle vorsieht. Ob der anhaltenden Renitenz Kenias verhängte die EU im vergangenen Oktober kurzerhand hohe Zölle auf kenianische Waren, insbesondere auf die Schnittblumenproduktion, die stark vom Export nach Europa abhängig ist. Wenige Wochen später unterschrieb Kenias Regierung das Abkommen. Die schrittweise Liberalisierung der Märkte ist inzwischen ins Werk gesetzt. Dass aus dem bislang gesunden Kenia in einigen Jahren Flüchtlinge in Europa anklopfen werden, ist absehbar.

Drinnen wie draußen

Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, dass die EU eben die Interessen ihrer Bürger effektiv in der Welt vertritt und alle EU-Bürger davon profitieren. In ihrer jetzigen Verfassung bewirkt die Wirtschaft überall Desintegration, sie erzeugt Zwei-Drittel-Welten, die auf Kosten des untersten Drittels leben: global, in der EU und auch innerhalb vieler EU-Länder. Das aber kann man nicht beschreiben, ohne von Deutschland zu sprechen.

Seit Jahren betreibt Deutschland intensives Lohndumping und senkt die Arbeitskosten gezielt. Der Leiharbeitssektor wurde liberalisiert, und die Hartz-Gesetze zwingen Arbeitslose, so gut wie jede ihnen angebotene Stelle anzunehmen. Zwischen 2000 und 2010 fielen die Reallöhne unter Regierungen der verschiedensten Farbkombinationen um durchschnittlich 4,2 Prozent, während die Arbeitgeber bei den Sozialleistungen entlastet wurden. So entstand ein riesiger Niedriglohnsektor, der dazu beiträgt, dass deutsche Waren konkurrenzlos billig exportiert werden können. Deutschland wird seither Jahr um Jahr „Exportweltmeister“. Zu D-Mark-Zeiten hätte das nicht funktioniert, wie die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann festhält:

„Die D-Mark wäre einfach im Kurs gestiegen, wenn Deutschland exorbitante Exportüberschüsse aufgehäuft hätte, sodass die Lohnvorteile wieder verschwunden wären. Doch im Euro ist Deutschland geschützt und kann ungestört eine Lohnpolitik betreiben, die seinen Nachbarn schadet.“4

Die Exportgewinne fließen üppig ins Land, während sogar wirtschaftlich gesunde EU-Länder wie Frankreich angesichts der deutschen Preise nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Denn Frankreich hat sich mustergültig an die EU-Spielregeln gegen Wettbewerbsverzerrungen gehalten: Seit 1999 stiegen die Reallöhne des Landes um 20 Prozent und halten so genau mit der Produktivitätsentwicklung Schritt. Deutschland schreibt indessen hervorragende Wirtschaftszahlen, ist aber extrem exportabhängig und verursacht gefährliche Ungleichgewichte im Euro-Raum, während sich im Inland die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter öffnet, die Binnennachfrage und die Entwicklung der Zivilgesellschaft nicht vorankommt und die Infrastruktur zerfällt. Keine gesunde Sache, und wer der Regierung aufgrund ihrer Wirtschaftsdaten vertraut, täuscht sich entweder gewaltig oder gehört selbst zur Exportwirtschaft und profitiert - noch - von dieser Politik. Das Land ist auf Entsolidarisierung gebaut, nach innen wie nach außen.

Dass im Zuge dieser Politik sich wachsende Teile der Gesellschaft abgehängt fühlen und von Verlustängsten und Selbstwertzweifeln geplagt werden, die sie nur noch niederkämpfen können, indem sie mit verbaler oder tätlicher Gewalt gegen jene wüten, die Solidarität, Respekt und Gleichberechtigung für sich beanspruchen (neben den Flüchtlingen sind auch Behinderte, Feministinnen, Schwule und Lesben, Juden und Muslime dazu zu rechnen), ist nicht ohne bittere Ironie: Die Politik des Nationalegoismus, die sie einfordern, wird schon lange gemacht, und nicht zuletzt sie selbst werden ihre Auswirkungen noch deutlicher zu spüren bekommen.

Eine neue Dynamik

„Mene mene tekel u-parsin“ schrieben die Finger einer Menschenhand an die Wand des babylonischen Königspalastes, als König Belschazzar in einer Erzählung der Bibel gerade ein rauschendes Festmahl gab und seine Tausend Gäste aus erbeuteten goldenen und silbernen Pokalen trinken ließ. Die Ratgeber des Königs konnten die Worte nicht deuten, doch der in Babylon im Exil lebende Jude Daniel sagte dem König ins Gesicht, es gehe um dessen Selbstüberhebung und fehlende Bescheidenheit. Gott selbst habe die Worte an die Wand schreiben lassen, um dem König klarzumachen, die Tage seiner Herrschaft seien gezählt5.

Eine Legende mit nur vagem historischen Hintergrund, gewiss. Doch die Elemente der Erzählung passen atemraubend treffsicher zusammen: Der in Überfluss schwelgende Herrscher wird von Furcht ergriffen, doch seine einheimischen Weisen wissen ihm nicht Auskunft zu geben. Nur ein Exilant, einer aus dem ausgeplünderten Land, dessen Gold und Silber beim Festmahl auf dem Tisch steht, weiß, was die Stunde geschlagen hat.

Was wir heute erleben, ist in der Tat ein Menetekel. Die (immer noch wenigen) Flüchtlinge, die zu uns ins Land kommen, und die vielen Millionen, die weiterhin überall auf dem Erdball unterwegs sind, künden davon, dass die Tage des gegenwärtigen Umgangs mit der Erde gezählt sind. Die Armen der Welt tragen ihr Elend dorthin, von wo es ursprünglich ausging: in die Länder, die für ihr eigenes Wohlleben die Erde plündern; in die Länder, die jahrzehntelang Despoten unterstützt haben, um an deren Rohstoffe zu kommen, was zunehmend Krieg und Zerstörung hinterlässt; in die Länder, die um des Wachstums willen Erdatmosphäre, Klima, Wasservorräte zu zerstören bereit sind.

All dies wird man nicht mit erweiterten Aufnahmekapazitäten, Solidaritätsdebatten und Bemühungen um Gastfreundschaft „bewältigen“ können - so nötig gewiss jede einzelne Maßnahme ist. Doch das wird nicht genügen. Das Menetekel besteht darin, dass wir uns selbst erkennen müssen, die Unhaltbarkeit unseres Lebensstils, unser Über-die-Verhältnisse-der-Erde-Leben. Wenn wir uns weiterhin weigern wollen, unsere Rolle im globalen Spiel zu sehen und zu ändern, wird uns dies nur noch tiefer in die Katastrophe führen. Wir müssen nicht nur helfen, wir müssen uns ändern.

Die gute Nachricht ist: Die Veränderungen sind bereits in Gang. Und zwar von unten. Anders als in früheren Jahren lassen sich Tausende von Europäern nicht mehr abhalten, in Kontakt mit den Flüchtlingen zu treten. Und das hat inzwischen eine Dynamik gewonnen, die alle Beteiligten weit über das hinaustragen wird, was sie ursprünglich vorhatten. Die mit Flüchtlingen Fußball spielen, essen und tanzen, ihre Geschichten hören, werden nicht bleiben, wie sie waren. Sie werden teilen, was sie übrig haben, sie werden nicht nach investierten Stunden fragen, sie werden mehr über die Verhältnisse in der Welt erfahren, sie werden das Glück genießen, helfen zu können und Freundschaften zu schließen. Sie werden Besseres zu tun haben, als gesellschaftlichen Auseinandersetzungen vor dem Fernseher beizuwohnen, sie werden sich nicht mehr so sehr für das neueste Smartphone interessieren (schon gar nicht, wenn sie Coltan-Schürfer kennengelernt haben), sie werden ihre Lebensqualität nicht mehr nach anschaffbaren Dingen, sondern nach dem Netz ihrer Freundschaften beurteilen, sie werden mit weniger Gütern um so vieles besser leben, dass die fremdenfeindlichen Hassbürger vor Neid zerplatzen werden.

Weit gewichtigere Gegner als jene werden die Wachstumsapostel in Wirtschaft und Politik sein, die von Nachhaltigkeit und neuen Wegen der Gemeinwohlökonomie nichts wissen wollen, weil sie weiterhin nicht von ihren Profitinteressen lassen können. Hier werden Konflikte unvermeidlich sein. Doch je mehr Menschen verstehen werden, was die derzeitige Art des Wirtschaftens auf der Welt anrichtet, desto weniger werden sie dulden, was uneinsichtige Unternehmen behaupten, tun zu müssen. Die neuen Pioniere in der Wirtschaft zeigen längst, dass die Umstellung auf nachhaltige Produktion möglich ist. Und auch der infantile Konsumegoismus ist kein Naturgesetz. Er wurde in den vergangenen Jahrzehnten eingeübt und wird auch wieder verschwinden, wenn die Menschen aus ihrer Vereinzelung als Kunden erwachen. Miteinanderteilen und Miteinanderarbeiten sind in unserer Kultur und in allen hier vertretenen Religionen älter und viel tiefer verwurzelt.

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